Dienstag, 20. Oktober 2009

The Great North Walk oder der Weg nach Sydney

Zeltplatz am Hawkesbury


Anne, Bil, die Twins Georgia und Sienna, Sooki und wir




Simon bei der Arbeit


Sooki


Congewai-Valley


Regenunterschlupf








einer der vielen Aufstiege


Matt, Albury, Jasmin, Jamie & Simon












Simon wird interviewt


Tag 1 – 30 km

Am Freitag, den 2.Oktober starteten wir gemächlich von Newcastle Richtung Sydney – zu Fuß 250 km! Die ersten Schritte gingen das Meer entlang, wunderschöne Strände mit steilabfallenden Klippen und den Kohlefrachtern am Horizont. Newcastle ist einer der größten Kohlehafen der Welt, täglich warten ca. 50 Schiffe an der Küste auf den begehrten Rohstoff. Nach 4 km kamen wir am letzten Cafe für die nächsten Tage an, weswegen wir beschlossen, das nochmal ausführlich mit Kaffee und Sandwich zu genießen. Lange hatten wir jedoch keine Ruhe: Bereits beim Bestellen des Kaffees bemerkten wir das Kamerateam und die schick gekleideten Damen am Strand. Wir – mit dicken Backpacks – stachen natürlich besonders heraus und so kam es, dass die beiden Damen und später das Kamerateam auf uns zu kamen. Die eine der beiden Frauen fragte uns, ob wir wüssten, wer sie ist. Als wir verneinten, stellte sie sich als Tourismusministerin von New South Wales vor. Wir waren das gefundene Fressen für die Fernsehreportage: Zwei deutsche Backpacker, die 250 km nach Sydney laufen wollen! Crazy… Also wurden wir interviewt und gefilmt, wie wir Newcastle verließen. Leider konnten wir unseren großen Auftritt nicht sehen, den Fernseher baut Simon erst nächste Woche im Zelt ein…J

Weiter ging es über riesige Felsen, weil das GPS den Weg 100m neben dem eigentlichen Great North Walk angab und Wegweiser sahen wir auch nicht. Also 2 km Klettertour mit über 15 bzw. 25 kg auf dem Rücken, was Besseres kann man sich kaum vorstellen, besonders wenn man daran denken muss, dass hier 7 der 10 giftigsten Schlangenarten der Welt leben. Gute Aktion also. Weiter ging es durch Vororte und Wälder bis zu einem großen See, dem Lake Macquarie. Dort bekamen wir von einem netten Mann ein Bier im Vorgarten, bevor wir uns aufmachten einen Schlafplatz zu finden. Aber so einfach war das nicht: Der Walk ging hier auf einer Straße entlang, es regnete und gewitterte und außenherum waren nur Kohleminen mit großen Zäunen drumrum. Das hieß dann weiterlaufen bis zu einer Siedlung, wo wir an einem Haus klingelten und fragten, ob wir unser Zelt aufstellen dürfen. Wir campten im Garten direkt neben der Pferdekoppel und draußen regnete es in Strömen und blitzte und donnerte.

Tag 2 – 15 km

Da wir einen Schlafplatz in einem Bett (!) über Couchsurfing ausfindig gemacht hatten, liefen wir an diesem Tag nicht besonders viel, nur bis zu unserem Bett nach Brunkerville. Nach steilen Aufstiegen durch Eukalyptuswälder kamen wir an ein Roadhouse, in welchem wir warten wollten, bis Albury von der Arbeit nach Hause kam. Nach über einer Stunde im ungemütlichen Roadhouse mit Aussicht in den tristen Regentag und dem schlechtesten Kaffee, den wir jemals getrunken haben – wie Tee! – klingelte das Handy. Albury brauchte noch eine Stunde länger, bis er nach Hause kam! In der Zeit sollten wir doch schon zu seinem Haus vorlaufen, uns duschen, Tee trinken und uns wie zu Hause fühlen. Der Schlüssel lag auf der Veranda. Wow! Wir kannten uns ja überhaupt nicht außer vom Telefon!

Dort angekommen, erwartete uns ein wunderschönes weißes Holzhaus mit großer Veranda und einem Wahnsinnsblick über Wiesen mit einem kleinen Lake und Eukalyptuswäldern. Den Schlüssel fanden wir sofort. Innen war das Haus sehr geschmackvoll und gemütlich eingerichtet. Wie sich später herausstellte, hatte Albury all die schönen Möbelstücke vom Sperrmüll! Krass, was die Leute alles wegwerfen! Nach 2 Stunden kam Albury zusammen mit seinen Kumpels Jamie und Matt und einem dicken BBQ. Genau das Richtige für uns: Es gab Würstchen, Hähnchenschenkel, Salat, Bier und als Nachtisch Schokolade mit Tee.

Alburys Freund Jamie lebt seit 13 Jahren auf einem Segelboot, der Possibilities. Er hat sich sein kleines Boot mit 20 Jahren gekauft und war die letzten 10 Jahre damit auf den Weltmeeren unterwegs: Er ist der jüngste Mensch der Welt, der mit einem so kleinen Segelboot (7,6 m lang) alle drei südlichen Kaps umrundet hat. Also auch das gefährliche Kap Horn um Argentinien. Bei Madagaskar hatte er mit Wellen zu kämpfen, die höher als sein Boot waren, ca. 15 m! Der Gesprächsstoff ging uns an diesem Abend jedenfalls nicht aus.

Tag 3 – 15 km

Am nächsten Morgen fuhren uns die Drei nach einem langen Frühstück (bis 12 Uhr) zum Roadhouse, von dem unser Weg gen Sydney weiterging. Selbstverständlich ging es sofort mit einem steilen Aufstieg von 2 km los, welcher sich jedoch lohnte. Durch die vom Regen feuchte Luft, fanden wir uns in einer märchenhaften Landschaft wieder: Wir liefen direkt auf dem schmalen Bergkamm in 600 m Höhe, um uns herum stieg Wasserdampf auf und umhüllte die Grasstrees und Eukalypten. Ab und an gab der Nebel uns die Sicht auf die Täler ringsherum frei, kilometerweit nur Wälder. Es war kein Geräusch zu hören, alles wurde vom Dampf verschluckt.

Wieder im Tal angekommen, ging es einen schmalen Pfad entlang mitten durch den Regenwald. Um uns herum war das dichte Dickicht der Bäume und Urwaldriesen, kreischende und pfeifende Vögel und es war plötzlich warm und stickig. Hier hatte sich der Great North Walk eine neue Gemeinheit einfallen lassen, denn nun ging es ständig steil hoch und wieder runter. Nichtsdestotrotz war diese Strecke wieder wunderschön, denn in den Tälern flossen kleine Wasserläufe, in welchen wir unser Wasser auffüllen konnten und in denen wir Krebse sahen. Nach einiger Zeit begann es mal wieder zu regnen, was unseren Lauf zu einer Rutschpartie machte. Besonders anstrengend war der 600 m lange Aufstieg am Ende unseres Tagesabschnittes: Der Boden war extrem matschig, überall nasse Wurzeln und eine Steigung, die die vorherigen noch toppte! Umso glücklicher waren wir, als sich uns eine fantastische Schlafmöglichkeit bot. Wir blickten auf einen Felsvorsprung, von dem ein kleiner Wasserfall herunterkam. Wir stellten unser Zelt unter dem trockenen Vorsprung auf, nahmen eine frische Regenwalddusche und schürten uns ein Lagerfeuer an. Nachts raschelte es um unser Zelt herum, wahrscheinlich ein paar neugierige Possums, die man vorher ab und zu bei Revierkämpfen kreischen hören konnte.

Tag 4 – 25 km

Wir ließen den Dschungel hinter uns und kamen in den höher gelegenen, lichten Eukalyptuswald, ständig hüpften Wallabies (das sind kleine Kängurus) über die Straße und es flogen rot-blaue Papageien durch die Bäume. Simon sah eine Schlange, die jedoch schnell die Flucht ergriff, als sie uns sah. Da in Australien jetzt Frühling ist, kommen die Schlangen langsam wieder aus ihren Verstecken gekrochen, weswegen wir immer auf unseren Weg achten mussten.

Als wir gerade unseren Lunch machten, begann es zu regnen. Innerhalb von 20 Minuten kam Alles vom Himmel, was man sich vorstellen konnte, sogar Hagel. Und weit und breit war keine Unterstellmöglichkeit. Also weiterlaufen, um nicht zu frieren. Wunderbar, das Gefühl von nassen Hosen… Fühlten uns beide an die Zeit erinnert, als wir noch Windeln trugen. J Nach 2 Stunden waren wir wieder schön trocken und setzten uns zum Kaffee trinken (ja, wir sind gut ausgerüstet) unter ein paar Grasstrees, da begann es wieder zu regnen. Die Bäume verhinderten das Schlimmste… Nun ging es vom 600 m Berg runter ins Tal, das Congewai Valley. Überall grasten zufriedene Kühe und Pferde, vereinzelt saßen Kängurus auf den saftigen Weiden, es watschelten Gänsehorden herum und flogen so viele verschiedene Vögel, kurz: Es war wieder einmal eine tolle Landschaft. Im Valley standen nur 3 Farmen mit riesigen Grundstücken und Weiden, die schmale Straße war unbefestigt und kein Auto weit und breit zu sehen. Diese Idylle weilte jedoch nicht lange, denn von den Bergen, die wir eben verlassen hatten, kamen schwarze Wolken hergezogen…

Wir füllten unser Wasser noch im Congewai Creek auf und wollten danach schnell unser Zelt aufbauen, da kam das Unwetter schon! Dagegen war der Regen vorher Kindergarten! Wahnsinn, wie schnell das Gewitter kam! Die Blitze zuckten am Himmel runter ins Tal und der Donner krachte. Fix retteten wir uns unter eine kleine Holzbrücke, die einigermaßen regenresistent schien. Ja denkste…Bei dem Regen waren wir binnen 2 Minuten durchgeweicht bis auf die Haut. War das ekelhaft! Nasses, kaltes, dreckiges Wasser tropfte von der Brücke… Den einzigen, denen das Wetter gefiel, waren die Frösche um uns herum, die das mit einem Konzert feierten. Nach 30 Minuten Blitz und Donner (und Riesenangst, Simon war natürlich überhaupt nicht besorgt), beschlossen wir zu einer der Farmen zu gehen und zu klingeln. Das Gewitter hatte sich im Berg festgehangen, zum Glück waren wir bereits im Tal! Wir nahmen die erstbeste Farm, die „Wombat Hall“. Triefendnass liefen wir ums Haus herum auf der Suche nach einer Haustür. Diese wurde von einer blond gelockten Frau geöffnet, die uns freundlich begrüßte. Sie habe uns schon vorher am Haus vorbeilaufen sehen und sich gefragt, wohin wir laufen, denn die nächste Campsite sei 20 km weiter (wobei das nicht unser Problem war, denn wir schlagen unser Zelt überall auf…). Anne hat 19 Monate alte Zwillinge, Sienna und Georgia, die sofort zu uns kamen. Ihre Eltern waren gerade aus Sydney zu Besuch da und so saßen wir wenige Minuten später in trockener Kleidung (Anne warf Alles in den Trockner und wir konnten frische Kleidung anziehen) bei einem Tee zusammen. Als Annes Mann Bil mit Hund Sooki von seiner Arbeit kam, beschlossen wir, dass wir die Nacht über hier bleiben könnten. Zur Farm gehören noch 2 kleine Wohnungen, die sonst zum Woofing (für Backpacker, Arbeit gegen Unterkunft und Essen) genutzt wurden. In die Größere durften wir einziehen, sie ist ca. 70 qm² groß und hat eine kleine Küche, und das Beste: Ein Bad mit warmer Dusche.

Nach einer heißen Dusche gab es Dinner, Hackfleischklößchen mit Gemüse und Reis, fast wie zu Hause! Alle waren verdammt nett, wir haben uns sofort wohl gefühlt. Weil ich mir eine Erkältung eingefangen hatte, bekam ich extra viel Kräutertee. Außerdem boten Anne und Bil uns an, dass wir länger hier bleiben könnten. Wir haben noch lange zusammen gesessen, Eis mit Himbeeren und Schokolade gegessen und geredet. Bei dieser Farm zu klingeln war wirklich das Beste, was wir machen konnten.

Tag 5

Nach einem gesunden, langen Schlaf auf einer schön dicken Matratze, standen wir im Gegensatz zu den Vortagen erst gegen 9 Uhr auf. Entspanntes Ausschlafen also. Nach einem ausgiebigen Frühstück kamen unserer Farmer in unsere kleine Wohnung und brachten uns frisch gepressten Orangensaft, damit Jasi wieder gesund wird. Sehr lecker! Zu diesem Zeitpunkt beschlossen wir noch eine Nacht bei Anne und Bil zu bleiben, bis Jasi ihre Erkältung auskuriert hat. Am Nachmittag ging Bil zur Arbeit. Seine Arbeit besteht darin in den Bergen von Congowai eine Loft zu hegen und zu pflegen. Dafür, dass wir umsonst dort wohnen durften, boten wir Bil an, ihm bei der Arbeit zu helfen. So waren wir den Nachmittag damit beschäftigt, Äste vom Sturm aufzulesen und Feuerholz zu holen. Die Loft ist mitten im Watagan National Park und umfasst ein unvorstellbar großes Gelände von ca. 50 Hektar. Heute ist es nicht mehr möglich sich im Nationalpark ein Stück Land zu kaufen. Schade eigentlich. Super Aussicht. Einziger Nachteil ist die hohe Waldbrandgefahr im Sommer in der Gegend, aber der Chef der dortigen Feuerwehr wohnt auch in den Bergen. Also bestens geschützt. Wieder zu Hause wartete eine heiße Dusche. Am Abend waren wir zum Dinner bei Anne und Bil eingeladen… so klang der Tag gemütlich mit Wein aus.

Tag 6 - Aufbruch

Sachen packen. Sind alle weitestgehend wieder trocken. Da wir jetzt schon zwei Tage hinter dem Zeitplan waren, fuhr uns Anne zum nächsten Bahnhof. So wollten wir den Great North Walk ein bisschen abkürzen, denn bis zum 15.Oktober wären wir sowieso nicht mehr in Sydney. Wir fuhren mit dem Zug zum Hawkesbury River. Dort gab es Austern, welche wir natürlich gleich ausprobieren mussten. Sehr, sehr lecker. Nach dem Lunch ging es weiter Richtung Süden. Es war schon recht spät und so beschlossen wir nur noch die 2km bis zur nächsten Campsite zu laufen. Die lag etwas höher an einem kleinen See, der im Falle eines Waldbrandes als Löschwasser dient. Wegen den starken Winden war leider auch Feuerverbot. Also kein Campfire, dafür aber Regen. Gemütlich war es aber doch irgendwie im Zelt und so schliefen wir ein.

Tag 7 - Abbruch

Wir wachten durch den heftigen Wind auf, der gegen unser Zelt blies. Draußen schien es ganz schön zu stürmen. Es hatte die ganze Nacht durchgeregnet, aber das Zelt war durch den Wind wieder trocken geworden. Bei dem Sturm weiter laufen? Außerdem war ich immer noch nicht richtig fit. Simon schlug vor, den Tag im Zelt zu verbringen und Schiffe versenken zu spielen. Darauf hatte ich überhaupt keine Lust, den ganzen Tag in dem Minizelt, Alles sandig und ständig die Windböen! Nach zwei Stunden Überlegen einigten wir uns, den Weg zurück nach Hawkesbury River zu laufen, Austern zu essen und dann mit dem Zug nach Sydney zu fahren. Gesagt, getan.

Keine Kommentare: